Braunschweiger Zeitung: Alina Schrimpf
Ungewöhnliche Szene: Anders als sonst, wenn Besucherinnen und Besucher die St. Magni-Kirche betreten, stehen dort keine Kirchenbänke. Zwischen den hohen Kirchensäulen sind stattdessen mehrere Kletterseile gespannt. Am Montag herrscht aufgeregt-lebendige Stimmung, denn für zahlreiche Kinder heißt es: klettern bis fast unters Kirchendach.
Zwei neunte Klassen der IGS Querum besuchen an diesem Tag die Kirche im Magniviertel. Eine Schülerin balanciert in einigen Metern Höhe über ein Kletterseil – von einer Säule bis zur nächsten. Das Mädchen ist angegurtet und wird am Boden von Diakon Gottfried Labuhn, Fachstelle Prävention, Intervention und Aufarbeitung sexualisierter Gewalt in der Landeskirche Braunschweig, gesichert.
Überall in der Kirche laufen Schüler erwartungsvoll mit bereits angezogenen Klettergurten herum. Einige Mädchen und Jungen sind aufgeregt, andere eher ängstlich, aber eins haben sie alle gemeinsam: „Nach dem Klettern kommen sie mit einem Lächeln nach unten“, sagt Labuhn.
Die Idee hinter „Kinder stärken“: Das erlebnispädagogische Kletterprojekt mit Workshops zu verknüpfen. In diesem Jahr stand das Thema Prävention, insbesondere Prävention von sexualisierter Gewalt, im Zentrum. Das Projekt soll Kinder und Jugendliche bestärken, erklärt Magni-Pfarrer Henning Böger, und zu mehr Selbstbehauptung führen.
In den Seminaren klären Workshopleiter die Kinder über Gefahren im Netz auf. Sie sollen unter anderem lernen, „Nein“ zu sagen und eigene Grenzen zu setzen.

Wie Böger schildert, soll das Klettern dazu beitragen, dass die Heranwachsenden sich besser kennenlernen, Mut und Stolz empfinden. Es soll die Möglichkeit geben, die eigenen Grenzen bewusst wahrzunehmen, indem die Mädchen und Jungen entscheiden: „Wie hoch will ich klettern? Was will ich tun? Was nicht?“ In der Kirche sind dafür Seile auf unterschiedlicher Höhe gespannt und die Schüler entscheiden selbst, wie hoch es für sie geht.
Das zweiwöchige Projekt fand bereits zum vierten Mal in der Magni-Kirche sowie in den Räumlichkeiten des Kinder- und Jugendzentrums St. Magni (KIJUZ) statt. Der Impuls für das Projekt stammt von Dieter Stadl, Diakon und Leiter des KIJUZ, sowie Diakon Gottfried Labuhn.
Bei den Teilnehmern kommt „Kinder stärken“ gut an: „Es ist schön zu sehen, dass die Schüler sich etwas Neues zutrauen und es ist eine spannende Art zu lernen außerhalb der Schule“, sagt Lehrerin Christina Behrens, die zum ersten Mal mit ihrer Schule teilnimmt. Auch ihren Schülern gefällt es. „Mir hat es viel Spaß gemacht“, sagt Celina Romanowski. Trotz anfänglicher Überwindung würde sie es gerne noch einmal machen.
In der ersten Projektwoche haben zunächst Grundschüler teilgenommen. Für sie gab es auch Stationsarbeit zu den sechs Präventionsprinzipien. Bei diesen geht es um den eigenen Körper, Gefühle, das Unterscheiden von Berührungen, gute und schlechte Geheimnisse, Neinsagen, Schuld sowie Hilfe holen.
Nicht nur das Aufarbeiten der Vergangenheit ist sehr wichtig, sondern auch Kinder und Jugendliche in der Gegenwart zu stärken.
Henning Böger, Magni-Pfarrer
In der Folgewoche waren die Jahrgänge 5 bis 10 eingeladen. Während eine Hälfte der Klasse in der Kirche kletterte, ging es für die andere Hälfte im Kinder- und Jugendzentrum in einen Workshop mit Anneka Lasar. Die Sozial- und Sexualpädagogin, die auch im Kinder- und Jugendzentrum KIEZ arbeitet, erklärt den Inhalt: „Es geht um Grenzen bei einem persönlich, aber auch um Grenzen bei anderen.“ Neben Anneka Lasar arbeiten auch der Kinderschutzbund Braunschweig, die Beratungsstelle Heckenrose aus Peine sowie Wibke Ramm (Präventionsprinzipien) als Kooperationspartner mit.
Magni-Pfarrer Henning Böger bietet seine Kirche als „geöffneten Raum“ gerne für Projekte dieser Art an. Aus seiner Sicht sei es wichtig, sich als Kirche für die Themen Prävention und Selbstbehauptung einzusetzen. Darüber hinaus legt St. Magni einen besonderen Schwerpunkt auf Kinder und Jugendliche, betont er.
Finanziert wurde das Präventionsprojekt durch eine Spende von „Magni & Friends“. Veranstaltet von Annette Schütz, Andrea Hanke, Martin Bretschneider und Martin K. Burghartz findet seit sieben Jahren auch der Neujahrsempfang „Magni & Friends“ statt. Dabei sammeln die Organisatoren Spenden für einen wohltätigen Zweck. In diesem Jahr kamen 5000 Euro zusammen, die an die Magni-Kirche gespendet wurden. So wurde „Kinder stärken“ mit der Hälfte des Geldes ermöglicht. Mit der anderen Hälfte konnten neue Sportgeräte gekauft werden, wie beispielsweise Boulderschuhe für die Kletterwand im KIJUZ.

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